Radentscheid Marl

Turbo-Radentscheid in nur vier Wochen: 6.275 Marlerinnen und Marler unterschreiben für bessere Radwege.

Der Radentscheid Marl übergab am 14.05.2020 die 6.275 Unterschriften, die die Marlerinnen und Marler in nur vier Wochen für bessere Radwege geleistet haben. Bürgermeister Werner Arndt nimmt die Kartons mit den Unterschriften in Empfang.

Mit einem Rekordergebnis haben wir vom Radentscheid Marl in nur vier Wochen das erforderliche Quorum von 4160 Unterschriften um mehr als 2.000 übertroffen. Daher haben sich die Marlerinnen und Marler den Radentscheid fleißig erarbeitet. Nun können sie an den Wahlurnen entscheiden, ob sie und ihre Kinder weiterhin auf solchen schlechten Radwegen unterwegs sein wollen, oder ob sie unsere Ziele für eine fahrradfreundliche Stadt annehmen.

Dabei muss die Frage mit Ja oder Nein beantwortet werden. Wenn die Mehrheit mit Ja beantwortet, müssen die Forderungen von der Stadt Marl umgesetzt werden. Dazu müssen 15 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gehen.

Der Stadtrat könnte die geforderten Maßnahmen aber auch direkt beschließen, dann würde der Radentscheid entfallen.

Demokratisches Experiment während Corona gelungen:

Wegen der Coronapandemie konnte unsere ursprünglich geplante Fahrrademo mit mehreren hundert Teilnehmern nicht stattfinden. Stattdessen gab es eine kurz gehaltene Übergabe vor der beeindruckenden Kulisse vor den Rathaustürmen. Dazu rollten Kinder und Erwachsene als Symbol gegen die verfallenen und gefährlichen Radwege in Marl einen 25 Meter langen roten Teppich im Radwege-Look vor dem Rathaus aus.

6275 Original-Unterschriften in nur vier Wochen ohne richtige Sammelaktion

Unsere Initiative benötigte 4.126 Unterschriften, die ohne Frist hätten gesammelt werden können. Doch den Bürgern in Marl war das Thema offenbar so wichtig, dass das sogenannte „Quorum“ bereits nach drei Wochen erreicht war.

„Wir haben noch eine vierte Woche weitergemacht, um eine Sicherheitsreserve zu erhalten. Dabei kamen noch mal deutlich über 2.000 weitere Unterschriften an.“

Eva Lück, Mitinitiatorin Radentscheid Marl

Eigentlich hätten wir weiter sammeln können, weil es für unseren „initiierenden Bürgerbescheid“ keine Frist gibt.

„Wir beenden die Sammelaktion aber bereits jetzt nach vier Wochen, weil dieses deutliche Votum der Marler Bürgerinnen und Bürger in der Kürze der Zeit und unter den demokratiefeindlichen Bedingungen von Covid-19 nicht mehr an Aussagekraft zu steigern ist“


Ludger Vortmann, Mitinitiator Radentscheid Marl


Erste Unterschriftensammlung in Deutschland während Corona-Krise kontaktlos erfolgreich

Und das, obwohl die Unterschriften wegen der Coronapandemie wie nicht geplant mit Klemmbrett und Stift gesammelt werden konnten. Eigentlich wollte unsere Initiative bereits Anfang Februar starten. Mehr als 80 Sammlerinnen und Sammler standen dazu bereit. Doch wir mussten sieben Wochen auf die grobe Kostenschätzung der Stadt Marl warten, die in Nordrhein-Westfalen verpflichtend ist und vor dem Sammelstart auf der Unterschriftenliste stehen muss. Als dann die Kostenschätzung Ende März endlich vorlag, wurde das strenge Kontaktverbot verhängt.
Unsere Initiative überbrückte den fehlenden Kontakt zur Zielgruppe in dieser Ausnahmesituation durch witzige Videoclips, eine gute Information über die Presse und soziale Medien. Die Unterschriftenliste boten wir als Download an und als Beilage in der Marler Zeitung, wie es sonst Lebensmittelläden oder andere Geschäfte machen.

„Aber vielen Bürgern waren die fünf Schritte Onlinegehen, Downloaden, Ausdrucken, Ausfüllen und Absenden zu mühsam. Viele haben auch keinen Drucker. Und bei der Zeitungsbeilage mussten wir organisieren, dass die ausgefüllten List auch wieder zurückkommen.“

Heinz Borgmann, Mitinitiator Radentscheid Marl
MarLore – das Lastenrad des Radentscheids Marl ist das Symbol für den Einsatz für bessere Radwege für alle Menschen in unserer Stadt Marl geworden.

Dabei überlegte sich unser Radler-Stammtisch unter anderem ein System von 30 Radentscheid-Marl-Briefkästen in der Stadt. Außerdem setzten wir unser blaues Lastenrad „MarLore“ auf den Märkten als mobilen Briefkasten ein. Die Bürgerinnen und Bürger konnten beim ohnehin geplanten Markteinkauf oder Spaziergang an der frischen Luft ihre ausgefüllten Listen in die geöffnete Box fallen zu lassen.

Der Rat der Stadt Marl wird in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 25. Juni über den Radentscheid entscheiden. Sollten sie die Forderungen nicht übernehmen, wollen die Initiatoren die Marlerinnen und Marler am 13. September zusätzlich zur Kommunalwahl an die Wahlurnen rufen. „Dann können sie selber entscheiden, ob sie und ihre Kinder weiter auf Buckelpisten-Radwegen unterwegs sein wollen oder unsere Stadt eine lebenswerte Stadt wird, in der Kinder so früh wie möglich und alte Menschen so lang wie möglich sicher mit dem Fahrrad unterwegs sein können“, sagt Stefan Koch vom Radentscheid-Team.
Das blaue Lastenrad „MarLore“ ist seit dem Start des Bürgerbegehrens Ende Januar zu einem Maskottchen und Werbeträger für die Stadt Marl geworden. Damit lieferten die Ehrenamtlichen zum Beispiel auch tausende Mund-/Nase-Masken aus, die der Förderverein des Klara-Hospizes in Heimarbeit genäht hatten.

Am Ende unserer Unterschriften-Übergabe übergaben wir den Staffelstab an unsere Freunde vom RadEntscheid Essen weiter. Sophie war dazu mit dem Lastenrad DesiREE zu uns nach Marl gekommen. So wechselte von MarLore zu DesiREE Klemmbretter und weiteres Zubehör. Denn unsere Freudne vom RadEntscheid Essen starten nun ihre Unterschriftensammlung am Freitag (15.05.2020).

Übergabe der Unterschriften an Bürgermeister Werner Arndt.

Statements am Rande der Unterschriftenübergabe des Radentscheids Marl:

„Als Mitinitiator der Volksinitiative „Aufbruch-Fahrrad“ möchte ich den Aktiven des Radentscheids gratulieren und Hochachtung zollen, dass sie es in dieser schwierigen Zeit geschafft, haben das Quorum so schnell zu erreichen. Dies zeigt, trotz der widrigen Verhältnisse, wie groß der Wunsch der Bürgerinnen und Bürgern ist nach mehr Radverkehrsförderung in Marl und damit auch für eine Verkehrswende. Deshalb möchte ich den Entscheiderinnen und Entscheidern in Marl sagen, dass sie dem Wunsch nach mehr Radverkehrsförderung nachkommen sollen und damit ein Investition in die Zukunft tätigen.“

Thomas Semmelmann, Vorsitzender des ADFC-NRW

Der erste Radentscheid des Ruhrgebiets und überhaupt in einer Stadt unter 100.000 Einwohnern in NRW zeigt, wie wichtig dieses Thema für die Menschen hier ist. Mich beeindruckt, wie viele Bürger in Marl bereit sind, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern und für kurze Strecken das Fahrrad zu nehmen. Genau das fordern wir ja seit Jahren von den Menschen. Diese Verkehrswende, über die sonst immer nur gesprochen wird, wurde jetzt von den Bürgern eingeleitet. Jetzt muss die Kommune diese Chance nutzen und bereit sein, mit Land und Bund über zusätzliche Finanzierungswege zu verhandeln.“

Norbert Sperling Vorsitzender DGB-Kreisverband Recklinghausen

„Es geht um mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Nur dann können die Kinder ihre Wege machen. Es geht um sichere und durchgängige Wege, um sichere Kreuzungen. Dann kommen sie zur Schule, zu Freunden, zur Musikschule. Wir wollen, dass Kinder selbstständig wieder zur Schule kommen. Mehr Raum und mehr Ruhe für Kinder und ihre Eltern. Wir alle zusammen können das schaffen!“

Claudia Serschen, Kinderschutzbund Marl

“ Während einer nie dagewesenen Pandemiesituation ein Bürgerbegehren zu starten, erfordert schon viel Mut. Es dann aber noch zu einem so eindrucksvollen Erfolg zu führen, dafür gibt es in über 30 Jahren Bürgerbegehrens-geschichte in NRW kaum ein anderes Beispiel – Hut ab!“

Alexander Trennheuser, Bundesgeschäftsführer Mehr Demokratie

Die 9 Ziele des Radentscheids Marl

Die von der Initiative geforderten neun Ziele umfassen ein durchgängiges und engmaschiges Radwegenetz, das Menschen aller Altersgruppen ein komfortables und vor allem sicheres Radfahren in unserer Stadt ermöglicht. Dazu zählen Fahrradstraßen vor Schulen, einheitlich gestaltete und getrennte Geh- und Radwege, sichere Kreuzungen, 1.000 zusätzliche Fahrradabstellplätze und eine Bürgerbeteiligung an der künftigen Verkehrsplanung.

Die Initiative ist offen und unabhängig. Dort engagieren sich Freizeit- und Alltagsradler.

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